Poelzig-Bau von der Ulmenstraße
© PUNCTUM / Betram Kober

Trikotagenfabrik Sigmund Goeritz AG

Zwickauer Straße 108
09112 Chemnitz

Der unvollendete Fabrikerweiterungsbau steht für die Vielfalt der überregional bedeutenden Bauten der Moderne in Chemnitz sowie die Verbindung sächsischer Unternehmer mit der Architekturavantgarde des frühen 20. Jahrhunderts.

Erich Goeritz – Sohn des Unternehmensgründers – wandelte die Trikotagenfabrik 1920 in eine Aktiengesellschaft um und entwickelte das Unternehmen zum führenden deutschen Damenwäscheproduzenten. Das 1882 in Chemnitz gegründete Familienunternehmen war seit 1911 in der Zwickauer Straße ansässig.

Für die Fabrikerweiterung erhielt der Architekt und Künstler Hans Poelzig (1869–1936) den Auftrag. Als Stadtbaurat in Dresden (1916–1920) und ab 1919 auch als Vorsitzender des Deutschen Werkbundes wirkte dieser einflussreiche Architekt der Moderne zwar nur kurz in Sachsen. Dennoch gilt der unvollendete Erweiterungsbau der Textilfabrik als ein Schlüsselbau Poelzigs und ist eines der wenigen Bauzeugnisse seines Schaffens in der Übergangsphase vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit. Aus dieser Schaffensphase sind überwiegend nur Entwürfe und nicht umgesetzte Pläne Poelzigs überliefert, was den rudimentären Fabrikbau in Chemnitz besonders macht.

Nach einem ersten Entwurf von 1922 wurde die Baugenehmigung für den ersten Bauabschnitt im Jahr 1927 erteilt. Dieser schließt sich direkt an den in Eisenbeton und Klinkerverkleidung ausgeführten Fabrikbau von 1911 an. Geplant war ein stufenweiser Ausbau der Fabrik, der die Straßenflucht komplett schließen sollte. Hierfür kaufte der Bauherr 1930 noch Nachbargrundstücke an der Zwickauer Straße an. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise und der Verdrängung jüdischer Unternehmer durch die Nationalsozialisten blieb der Bau jedoch unvollendet.

Der Eisenbetonskelettbau mit vorgeblendeter Bruchsteinfassade aus Harthauer Chloritschiefer ist beispielhaft für Poelzigs „Materialstil“. Zugleich versuchte der Architekt mit der Goeritz-Fabrik eine urbane Fabrikarchitektur zu entwickeln und ordnend in die relativ wild gewachsene Chemnitzer Industrie-Stadtlandschaft einzugreifen.

Bis 1991 wurde das Ensemble als Textilfabrik genutzt und fiel dann brach. Seit 2016 wird das Areal saniert, umgebaut und mit Erweiterungsbauten versehen.