Die Illustratorin Johanna Benz hinter einer Glasscheibe, an der Zeichnungen von ihr kleben (Foto: Jörg Farys)Die Illustratorin Johanna Benz (Foto: Jörg Farys)

Leipzig

„Industriekultur – das sind auch Familiengeschichten“

Gespräch mit der Leipziger Illustratorin Johanna Benz über Industriekultur in Sachsen.

Überraschende Sichtweisen, voller Witz und oft nur mit wenigen Strichen – so präsentieren sich die Illustrationen der Leipziger Künstlerin Johanna Benz. Zum Jahr der Industriekultur 2020 gestaltete sie im Auftrag der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen humorvolle Postkartenmotive sächsischer Erfindungen sowie einen Jahreskalender mit gezeichneten Antworten auf die Frage „Was ist Industriekultur?“. Wir haben mit Johanna Benz über ihren Blick auf Industriekultur gesprochen.

Johanna Benz, was verbinden Sie mit dem Begriff Industriekultur?
Die Industriekultur fällt oft erst dann ins Auge, wenn man sich damit beschäftigt hat, wenn man einmal angestoßen wurde. Natürlich sind es wie hier in Leipzig die Gebäude, die ich zuerst zur Industriekultur zählen würde. Wenn man aus dem Osten kommt, sind es aber auch oft Familiengeschichten, die dahinterstehen und die man plötzlich begreift. Meine Mutter zum Beispiel ist Setzerin. Nach der Wende steht plötzlich die Maschine, an der sie gelernt hat, im Museum. Alles ist von heute auf morgen anders. Das verbinde ich auch mit dem Begriff Industriekultur.

Junge Menschen sind heute hauptsächlich digital unterwegs. Inwieweit spielen alte Techniken und Traditionen bei Ihrer Arbeit eine Rolle?
Ich habe an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig studiert. Wir lernen hier an Druckmaschinen, die auch schon gut 100 Jahre alt sind oder sogar älter. Das prägt auch jetzt meine Arbeit, wenn ich am Computer sitze.

Sie haben für die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen Erfindungen illustriert, die aus Sachsen stammen? Hatten Sie beim Zeichnen eine Lieblingserfindung?
Ich mochte besonders den BH. Auf der ganzen Welt haben Frauen auf diese Erfindung gewartet. Im Jahr 1899 hat die Dresdnerin Christine Hardt schließlich den Büstenhalter patentieren lassen. Diese aufgeweckte Frau hätte ich sehr gern mal kennengelernt, denn es hat sicher Mut gebraucht, mit einer verwegenen Erfindung aufs Patentamt zu gehen! Ich habe sehr großen Spaß daran gehabt, das zu illustrieren. Meine Illustrationen sind ein humorvoller Umgang mit diesem Erbe und ich hoffe, dass ich darüber auch Kinder und junge Menschen erreichen kann.

2020 ist in Sachsen das Jahr der Industriekultur. Haben Sie schon Pläne?
Ich lebe seit 2005 in Sachsen, aber ich merke plötzlich, dass ich noch gar nicht so viel gesehen habe. Dabei gibt es sehr viel an Industriekultur zu entdecken. Ich will mir in jedem Fall ganz viel anschauen ... Glas und Strümpfe … Glasstadt Weißwasser und die Orte der Textilfabrikation sind wohl als erstes dran.

Vielen Dank für das Gespräch.

Übrigens: Die Industriekultur-Motive von Johanna Benz veröffentlichen wir ab sofort in loser Folge auf unserer Facebook-Seite www.facebook.com/Industriekultur2020 sowie auf Instagram: www.instagram.com/industriekultursachsen

Johanna Benz (1986) hat an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und der École des arts décoratifs in Strasbourg Illustration studiert. Seit 2013 arbeitet sie freiberuflich als Illustratorin für Zeitungen, Magazine und zeichnet live als graphic recording artist auf Kongressen und Tagungen. Ihr illustriertes Diplombuch „Pacho Rada“ erhielt nationale und internationale Preise (Hans-Meid-Förderpreis, Hamburg; Ilustrarte, Lissabon; Bologna Ragazzi Award in der Kategorie Opera Prima) und erschien 2015 in französischer Sprache bei Éditions Magnani in Paris. Johanna Benz lebt und arbeitet in Leipzig.

Mehr über Johanna Benz: graphicrecording.cool

 

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