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Bernhard'sche Spinnerei

Klaffenbacher Straße 49
09125 Chemnitz

Die 1799 errichtete Maschinenspinnerei gilt als erster Fabrikbau Sachsens. Sie war zugleich Vorbild für die Anfang des 19. Jahrhunderts in Sachsen in großer Zahl errichteten Spinnmühlen. Die Nutzung der Wasserkraft bedingte die Ansiedlung erster Fabriken an den Wasserläufen des Erzgebirgsvorlandes. Die hier vorherrschenden geografischen Bedingungen prägten den frühen Fabrikbau in der Region und brachten im Zusammenspiel mit den Erfahrungen und Fertigkeiten der Baumeister einen „sächsischen Fabrikstil“ hervor. Diesen charakterisiert eine palastartige Bauweise mit hohen Mansarddächern, außerdem die Nutzung der Wasserkraft zum Maschinenantrieb.

Die begrenzte Leistungsfähigkeit der Handspinner und die auftretenden Versorgungsengpässe in der Textilherstellung waren – wie bereits zuvor bereits in England – auch in dieser traditionsreichen Textilregion Anlass dafür, Garn maschinell zu spinnen. Beispielhaft wirkten bei der Gründung der Bernhard’schen Spinnerei die für die Frühindustrialisierung in Sachsen wichtigen Faktoren Gewerbetradition, Unternehmergeist, kaufmännisches Know-how und Transfer von technischem Wissen zusammen.

Die Brüder Carl Friedrich und Ludwig Bernhard betrieben seit 1791 eine Textilhandlung in Manchester. Über ihre Niederlassung in Leipzig handelten die Kaufleute englisches Baumwollgarn nach Sachsen und kamen hier mit dem Chemnitzer Kaufmann Johann August von Bugenhagen zusammen. Gemeinsam beantragten sie bei den Behörden die Errichtung der Spinnerei. Das technische Wissen brachte der Mechaniker Evan Evans ein, den die Gebr. Bernhard aus Manchester abwarben. Evans errichtete später mit dem Baumeister Lohse weitere Spinnereien, begründete den Sächsischen Textilmaschinenbau und wurde auch selbst Spinnmühlenbesitzer.

Die Fabrik prosperierte während der Kontinentalsperre, die das europäische Festland vor den qualitativ besseren und preiswerteren englischen Waren schützte. Nach Aufhebung der Kontinentalsperre im Jahr 1815 ging die Spinnerei jedoch in Konkurs.

Nach Eigentümerwechseln wurden die Gebäude in der Folgezeit als Weberei, Maschinenfabrik und Kammgarnspinnerei genutzt. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Neubauten ergänzten das Ensemble. Von den Ursprungsbauten blieben das repräsentative Kontorgebäude und der Gründungsbau der Fabrik von 1799 erhalten. Durch die Umnutzung zur Seniorenresidenz wurde das Industriedenkmal beispielhaft saniert und erhalten.