Junge, der an Arbeitstisch Schaltkreise bautConstitute e.V., Fabmobil 2020, Foto: Marcel Schröder

Dresden

“3D drucken und die Welt verändern”

Sebastian Piatza und Christan Zöllner im Gespräch über Fabmobil - das fahrende Kunst- und Designlabor.

Der Dresdner Verein Constitute hat mit seinem Fabmobil jüngst den erstmalig bundesweit ausgelobten KULTURLICHTER-Preis gewonnen. Das Fabmobil ist ein großer schwarzer Doppeldeckerbus, der mit Digitaltechnik und Werkzeugmaschinen ausgestattet ist. Damit reist ein Team um Sebastian Piatza und Christian Zöllner in ländliche Regionen Sachsens und Brandenburgs, um dort Digitalbildungsformate anzubieten.

 

An wen richtet sich das Projekt? Und wie erfolgt die Akquise?

Piatza: Es sind vor allem Schulen und soziokulturelle Zentren, in denen das Fabmobil zum Einsatz kommt. Wichtig ist, dass wir unsere Aktionen allen Schularten anbieten, also von der Förderschule bis zum Gymnasium. Wir stellen unseren Bus aber auch auf den Veranstaltungen wichtiger Multiplikatoren auf, wie bei Lehrerkonferenzen oder -fortbildungen. Die Zielgruppe ist daher extrem unterschiedlich, also von jung bis alt.

Zöllner: Das Besondere am Fabmobil ist, dass wir direkt in den ländlichen Raum fahren. Normalerweise sind Digitalangebote ein sehr urbanes Thema, denn in Städten, in denen sich eine kritische Masse an jungen Leuten mit Digitalthemen auseinandersetzt, gibt es FabLabs, Makerspaces usw. Aber in ländlichen Räumen ist das anders. Es fehlt die Infrastruktur für solche Angebote. Wir kommen deshalb mit der Infrastruktur direkt zu den Leuten, um ihnen die Möglichkeit zu geben, den Umgang mit Digitaltechnik und Werkzeugmaschinen zu lernen, damit sie vielleicht den Impuls bekommen, so was selbst zu machen.

Seit wann gibt es das Fabmobil und wie hat sich das Projekt entwickelt?

Piatza: 2016 hatten wir die Idee. 2017 kam der Bus dazu und seit Oktober 2017 sind wir auf Tour. Um das Interesse an unseren Angeboten zu wecken, haben wir das Projekt auf Lehrerstammtischen vorgestellt. So konnten wir mit recht wenig Zeitaufwand viele Schulen erreichen und Einsätze für das Fabmobil akquirieren. Da die Einsätze an Schulen idealerweise 3 bis 4 Tage dauern, damit alle Schüler und Schülerinnen ausreichend experimentieren können, schaffen wir pro Jahr 15 bis 20 Schulen. Wir haben eine Warteliste von 30 bis 40 Schulen, die stetig wächst.

Das Projekt hat also Modellcharakter, wenn die Nachfrage so groß ist.

Zöllner: Ja, 2017 wurden wir unter anderem von der Kulturstiftung des Bundes als Modellprojekt gefördert, um zu schauen, inwieweit es sich auf andere Regionen übertragen lässt. Wir verstehen uns auch als Modellprojekt, teilen unser Wissen gern progressiv und komplett. Es geht ja darum, dass nicht nur wir das machen, sondern dass Andere in verschiedenen Regionen aktiv werden.

Piatza: Das muss unbedingt nochmal betont werden! Der Bus und seine Angebote übernehmen die Pionierarbeit mit dem Ziel, die Leute vor Ort zu ermächtigen, eigene Räume und Infrastrukturen zu schaffen. Manchmal klappt das so gut, dass im Nachgang eines Fabmobil-Einsatzes eigene Initiativen entstehen, wie beispielsweise in Löbau, Weißwasser und Annaberg-Buchholz. Diese Lokallabore können wir mittels Coachings und technischer Betreuung weiter unterstützen.

Großartig! Gibt es neben den positiven Entwicklungen auf die Regionen auch positive Effekte für die Teilnehmenden?

Piatza: Es gibt unterschiedliche Geschichten, die man erzählen kann. Je nach Schultypus hat man auch unterschiedliche Erwartungen, wie der Impact aussehen kann. Wir waren 2018 an einer Förderschule in Kamenz und dort war es ausreichend, den Jugendlichen einen schönen Tag zu bieten, denn sie haben sich nicht auf die Schule gefreut, sondern auf uns. Es gibt aber auch Orte wie das Geschwister-Scholl-Gymnasium in Löbau, ein „Expertengymnasium“ mit Fokus auf die MINT Fächer. 2017 haben wir dort den ersten Workshop gegeben und mittlerweile haben die Jugendlichen einen eigenen Makerspace gegründet, den wir durch unsere Lokallabor-Initiative unterstützen. Das Ganze ist also aus einer Fabmobil-Aktion entstanden und wird jetzt erfolgreich von den Jugendlichen betrieben. Die hatten das erste Mal als 14-Jährige mit uns Kontakt und sind mittlerweile um die 17, 18 Jahre alt. Um den Ort nach und nach zu entwickeln, stellen diese jungen Leute eigene Förderanträge, was ich wirklich beeindruckend finde. Das ist eine andere Art Impact, die man da hinterlässt.

Was ist für die nahe und weite Zukunft geplant? Gibt es schon konkrete Ideen?

Zöllner: Ja und nein. Jetzt müssen wir erstmal Corona überstehen und entsprechende Strategien entwickeln. Aktuell gibt es in unserem Projekt eine starke Fokussierung auf Werkzeuge, natürlich mit den damit verbundenen Kulturtechniken -  “Ich drucke 3D und dadurch verändere ich die Welt“ bzw. das Verständnis wie produziert wird. Diese kreative Aneignung von Technologie, das Umnutzen und Experimentieren, das ist für uns Kultur durch und mit Technik, Kulturtechnik eben. Uns hat die „Fridays for Future“-Bewegung sehr beeindruckt. Wir überlegen deshalb, die Nachhaltigkeitsthematik mehr in den Vordergrund zu stellen und der Frage nachzugehen, wie mit neuen Technologien etwas Nachhaltiges geschaffen werden kann.

Piatza: Außerdem schauen wir, ob sich die Projektförderung des Fabmobils in eine institutionelle Förderung verwandeln ließe. Wir könnten uns vorstellen von Sachsen aus Initiativen aus anderen Bundesländern zu unterstützen, ohne dass der Bus sich ständig auf den Weg begeben muss.

Aufgrund der aktuellen Situation wurde auf den digitalen Raum gesetzt. Welche digitalen Formate hat Fabmobil umgesetzt?

Piatza: Aufgrund von Corona konnten wir letztes Jahr nicht die Fabmobil-Tour beenden, auch nicht mit guten Hygiene-Konzepten. Wir haben also Tutorials produziert, in denen die Grundlagen von Programmierung, 3D Druck, Hardware Hacking und 3D Modellierung vermittelt werden. Gleichzeitig haben wir unsere Workshop-Formate so aufgearbeitet, dass sie jeder umsetzen kann. Die digitalen Formate sind auf unserer Website www.fabmobil.org und auf dem neu gegründeten YouTube-Kanal als Tutorials zu finden.

Wollt Ihr noch Ungesagtes ergänzen?

Piatza: Also ganz pragmatisch gesagt, unser Bus ist wieder repariert, er kann dieses Jahr noch fahren. Bald geht er aber in den Ruhestand. Wir müssen also darüber nachdenken, dass Ende 2021 ein neues Mobil auf die Straße kommt.

Zöllner: Ich würde gerne noch erwähnen wollen, dass wir ein unglaublich tolles Team haben. Wir sind immer diejenigen, die vorn stehen und es nach draußen tragen, aber das Projekt funktioniert, weil wir so ein starkes Team aus Workshop-Leitern und Leiterinnen haben.

Piatza: Und wir sind auch nicht nur Typen. Wir arbeiten stark daran, dass wir einen ausgeglichenen Schlüssel hinbekommen. Wenn wir Stellen ausschreiben, werden Bewerberinnen bevorzugt, damit wir ein Gleichgewicht erreichen. Wir sind guter Dinge, dass das klappt.

Sehr gut, vielen Dank für das Gespräch!

Zurück